Vor 50 Jahren: Einsturz der Stauseebrücke bei Lichtenfels

Am 24. Oktober 1956 kam es um 15.30 Uhr im Gemeindegebiet von Friedersbach zu einer Katastrophe: Die im Bau befindliche Brücke über den Purzelkamp, nahe der Ruine Lichtenfels, stürzte ein.
Durch die Errichtung des Stausees Ottenstein und den damit verbundenen Aufstau des Purzelkamps und des einmündenden Friedersbaches wurde die Straßenverbindung zwischen Friedersbach und Rastenfeld unterbrochen. Nach langwierigen Verhandlungen einigte man sich, eine neue Straße zu errichten und diese auf einer Brücke über den aufgestauten Purzelkamp zu führen. Mit dem Bau dieser 700 m langen Spannbetonbrücke wurde die renommierte Baufirma Rella und Co. beauftragt. Bis Mitte Oktober 1956 waren bereits die beiden Brückenpfeiler hoch gezogen und das Stahlgerüst zur Errichtung des Tragwerks fertiggestellt. Nun wurden die einzelnen Felder betoniert, bis 24. Oktober war etwa ein Viertel der Brücke fertiggestellt, als am Nachmittag das eben in Arbeit befindliche Brückenfeld zwischen dem Lichtenfelser Ufer und dem ersten Pfeiler in Bewegung geriet und abstürzte.
Der Vorarbeiter, der die große Mischmaschine am Lichtenfelser Ufer bediente, bemerkte, dass sich plötzlich die Kabel bewegten, die von seiner Arbeitsstelle zur Brücke führten. Dann sah es für ihn so aus, als ob die am Widerlager der Brücke aufgestellten Latten zu flimmern beginnen würden. Schließlich brach das Gerüst zwischen dem Widerlager und dem ersten Pfeiler. Wie eine Wiege kippte der gewaltige Betonklotz über den Pfeiler, drehte sich um die eigene Achse und schlug, alles unter sich zertrümmernd, am Boden auf. Drei Arbeiter wurden von dem einstürzenden Brückenfeld durch die Luft geschleudert und kamen mit relativ geringen Verletzungen am Ufer zu liegen. Zehn weitere Arbeiter aber wurden von den Massen an Beton, Stahl und Holz begraben. Der 52jährige Zimmermann Hermann Haider aus Mitterreith war unter den Trümmern eingeklemmt und rief verzweifelt um Hilfe. Die herbeigeeilten Feuerwehrleute und Hilfskräfte arbeiteten fieberhaft. Als sie Haider nach zwei Stunden endlich befreien konnten, waren seine Hilferufe bereits verstummt. Die Betontrümmer, unter denen er eingeklemmt lag, hatten seine beiden Beine zerquetscht, er war verblutet.
Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl forderte sofort, nachdem das Ausmaß der Katastrophe bekannt geworden war, das Bundesheer zur Hilfeleistung an und innerhalb kürzester Zeit waren Pioniere aus Melk mit schwerem Arbeitsgerät zur Stelle. Sie lösten die erschöpften Feuerwehrleute ab und suchten weiter nach den Verschütteten. Neun Arbeiter wurden noch unter den Trümmern vermisst, nämlich Josef Artner aus Albern, Ludwig Führer aus Friedersbach, Robert Jonas aus Loschberg, Wilhelm Leutgeb aus Hirschenschlag, Franz Rauscher aus Franzen, Ing. Walter Schippani aus Wíen, Anton Steinmetz aus Oberwaltenreith, Leopold Tastl aus Rastenfeld und Ing. Hermann Widder aus Wien. Trotz intensivster Bemühungen musste man sehr bald die Hoffnung aufgeben, noch einen der Arbeiter lebend bergen zu können. Bis Mitte November konnten lediglich drei weitere Leichen gefunden werden, unter ihnen auch jene von Ludwig Führer, die am 3. November in Friedersbach beigesetzt wurde. Erst im Februar 1957, als der Wasserspiegel des Stausees um viele Meter gesunken war, wurden die restlichen sechs Leichen geborgen, unter ihnen Anton Steinmetz aus Oberwaltenreith. Sein Begräbnis fand am 7. Februar in Friedersbach statt.
Wie eine Untersuchungskommission feststellte, war das Unglück auf menschliches Versagen zurückzuführen. Monteure der Gerüstfirma hatten Verbindungsstücke zwischen einzelnen Stahlträgern des Gerüsts, welches das erste Feld der Spannbetonbrücke bis zum Erhärten des Betons tragen sollte, nur mangelhaft fixiert.
Heute erinnert unmittelbar neben dem Brückenkopf am Lichtenfelser Ufer eine kleine Kapelle an die zehn Opfer dieses Unglücks.

Fotos vom Brückeneinsturz

F. Moll, Oktober 2006

Quellen:
Pfarrchronik Friedersbach, Eintragungen Oktober 1956 und Februar 1957.
Neuer Kurier, 25. und 26. Oktober 1956.
Das kleine Volksblatt, 25., 26., 27. und 28. Oktober 1956.
Wiener Zeitung, 25. und 26. Oktober 1956.